Fondsmanagerin im Interview: „Wir rechnen mit mehr Ankaufsoptionen“
22. September 2022
Die deutsche Wirtschaft steht derzeit vor Herausforderungen: Rohstoff- und Baupreise steigen rasant, Lieferketten sind unterbrochen und das Zinsumfeld hat sich gewandelt. Was bedeutet dies für die Immobilienbranche und speziell für den FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND? Das erklärt Kerstin Dittrich, Portfoliomanagerin bei der INDUSTRIA, im Interview.
Frau Dittrich, wie ist Ihre Gesamteinschätzung für den Wohnimmobilienmarkt? Wo stehen wir gerade?
Die Zinsen steigen, Kredite werden teurer – das führt aus unserer Sicht dazu, dass uns der eine oder andere, der vorhatte, Eigentum zu erwerben, nun als Mieter erhalten bleibt. Generell ist die Nachfrage nach Mietwohnungen in den Gegenden, in denen wir investiert sind, also in den Ballungsräumen, unverändert hoch.
Was den Investmentmarkt für Wohnimmobilien betrifft, rechnen wir damit, dass die Preise im Ankauf sinken werden und sich unsere Ankaufsoptionen mehren. Eine Gefahr, dass durch die sinkenden Ankaufspreise die Immobilien aus unserem Portfolio überbewertet sind, sehe ich nicht. Denn alle drei Monate werden unsere Fondsimmobilien durch zwei unabhängige Gutachter bewertet. Dabei zeigt sich, dass bei den Ergebnissen im Vergleich zu den Preisen, die am Markt bezahlt werden, noch sehr viel Luft nach oben besteht. Unsere Bewertungen sind sehr konservativ angesetzt.
Können Sie bei den Ankäufen davon profitieren, dass weniger Wettbewerb unter den Bietern herrscht?
Ja, die Anbieter kommen nun stärker auf uns zu. Derzeit kommen außerdem große Bestände von Unternehmen an den Markt, die sich ESG-konform ausrichten. Aber besonders hier muss man sehr vorsichtig sortieren: Sind die Preise überhöht? Welche Investitionen würden auf uns zukommen, solche Bestände ESG-tauglich zu machen?
Generell rechnen wir eher damit, dass wir wieder mehr Konkurrenz auf dem Bietermarkt bekommen werden, vor allem wenn die Preise sinken. Die Verunsicherung unter den institutionellen Investoren wird sich legen und der Anlagedruck wieder in den Vordergrund treten.
Was Investoren und Anleger derzeit sehr beschäftigt, ist das Thema Inflation. Immobilien haben durch ihr Wertsteigerungspotential ein hohes Maß an Inflationsschutz. Doch wie sieht es auf der Einnahmenseite aus? Steigen auch die Mieten in den Fondobjekten des FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND?
Unsere Gewerbemietverträge sind in der Regel indexiert und damit zumindest zu einem gewissen Maß an die Inflation angepasst. Bei den Wohnungsmietverträgen, auf die der weitaus größte Teil unserer Einnahmen entfällt, haben wir Staffel- und Indexmieten vereinbart oder arbeiten ohne solche Klauseln. Bei aller Staffelung und Indexierung dürfen wir nicht aus dem Augen verlieren, dass die Miete marktgerecht und für unsere Mieter leistbar bleiben muss. Uns ist sehr wichtig, dass Mieterhöhungen sozialverträglich geschehen.
Die ersten Monate der Ukraine-Krise fielen mit einer Cash-Stop-Phase des FOKUS WOHNEN DEUTSCHLAND zusammen. Seit 16. Mai können Anleger wieder Fondsanteile zeichnen. Wie groß war der Zuspruch?
Seit dem Ende des Cash-Stops haben wir 80 Millionen Euro eingesammelt. In der jetzigen Marktsituation ist das ein Wert, der sich sehen lassen kann. Aber wenn wir Anlegergelder einsammeln, wollen wir diese auch zeitnah investieren. Unsere Ankaufspipeline ist mit fünf bis sieben Objekten immer noch gut gefüllt, das Investitionsvolumen beläuft sich auf 120 bis 150 Mio. Euro. Zu dem vorhandenen Eigenkapital kann der Fonds noch bis zu 30 Prozent Fremdkapital aufnehmen und somit die zur Verfügung stehenden Mittel für potentielle Ankäufe ausweiten. Der überwiegende Teil unserer Akquisitionspipeline entfällt auf Forward-Deals, das heißt die Gelder werden stufenweise baubegleitend abfließen. Jedenfalls ist ein neuer Cash-Stop in nächster Zeit nicht vorgesehen.
Welche Ausschüttung ist für das abgelaufene Geschäftsjahr geplant?
Am 7. Oktober können wir 1,30 Euro ausschütten und bewegen uns damit auf dem Niveau der Vorjahre. Wir haben erneut ein hervorragendes Ergebnis erwirtschaftet, das wir wieder unseren Anlegern zufließen lassen. Wie in den Vorjahren wird es auch diesmal einen Gewinnvortrag geben.