Der Wohnungsbau kommt nicht schnell genug in Fahrt
04. Oktober 2021
Als einer der wichtigsten Treiber der Miet- und Kaufpreisentwicklung am deutschen Wohnungsmarkt wird der bestehende Nachfrageüberhang – insbesondere in den Großstädten – angesehen. Die Devise lautet also bauen, bauen, bauen. Trotz der Maßnahmenpakete von Bund, Ländern und Gemeinden zur Ankurbelung der Bauaktivität wurden die selbst gesteckten Ziele bisher nicht erreicht.
Im ersten Halbjahr 2021 wurden laut Statistischem Bundesamt 7,7% Wohnungen mehr genehmigt als im Vergleichszeitraum 2020. Auch die Zahl der Baufertigstellungen hat sich zwischen 2010 und 2020 von 160.000 auf 306.000 nahezu verdoppelt. Was sich zunächst gut anhört, verdeckt die Tatsache, dass Deutschland beim Bau von Wohnungen dennoch der Nachfrage hinterherhinkt. Im Zeitraum von 2016 bis 2020 hätten laut Wohnungsbedarfsmodell des IW Köln gut 1,7 Millionen Wohnungen fertiggestellt werden müssen, um den Bedarf zu decken. Tatsächlich gebaut wurden jedoch nur 1,45 Millionen – das sind 260.000 zu wenig.
Besonders in den Metropolen und Großstädten fehlt es an Angebot. In Köln liegt das Verhältnis von Fertigstellungen zu Bedarf gerade einmal bei 42%, in Stuttgart sind es 52%. Am besten fällt die Quote in Hamburg (84%) und Düsseldorf (82%) aus. Der große Nachfrageüberhang zeigt sich auch in der Leerstandsquote. Diese lag nach Zahlen von CBRE und empirica Ende 2019 bundeweit bei 2,8 Prozent, in München und Frankfurt am Main sogar nur bei 0,2 Prozent. Wer sich also in Berlin, Köln oder München auf Wohnungssuche begibt, braucht einen langen Atem und kennt das Phänomen der Massenbesichtigungen.
Spätestens mit der Bezeichnung von Wohnen als der „soziale[n] Frage unserer Zeit“ von Bundesinnenminister Horst Seehofer im Jahr 2018 hat auch die Politik diese Problematik erkannt. Die Bemühungen von Bund, Ländern und Kommunen den Bau von Wohnungen zu beschleunigen, mündeten in die sogenannte Wohnraumoffensive. Diese umfasst Maßnahmen zur Schaffung von Investitionsimpulsen, zur Senkung von Baukosten, die Sicherung der Bezahlbarkeit von Wohnen und die Mobilisierung von Bauland.
Das Ziel der Initiative war es, innerhalb der Legislaturperiode der Bundesregierung 1,5 Millionen neue Wohnungen zu bauen. Ein weiterer Baustein ist das so genannte Baulandmobilisierungsgesetz, das erst im Juni 2021 in Kraft getreten ist. Das Regelwerk beinhaltet unter anderem Erleichterungen bei der Erteilung von Baugenehmigungen, eine Ausweitung des kommunalen Vorkaufsrechts und die Ausweitung von Baugeboten. In den ersten drei Jahren der Legislaturperiode wurden insgesamt rund 885.000 Wohnungen fertiggestellt. Man kann also jetzt schon sagen, dass das ausgegebene Ziel nicht erreicht werden wird. Dazu müssten 2021 doppelt so viele Wohnungen gebaut werden wie 2020.
Derweil steigen sowohl Mieten als auch Kaufpreise für Wohneigentum weiter. Gemäß dem Index des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp-Index) lagen die Neuvertragsmieten zum Ende des zweiten Quartals 2021 um 3,3 Prozent höher als im Vorjahresquartal. Bei selbst genutztem Wohneigentum liegt der Anstieg bei 10,9 Prozent. Diese Entwicklung ist sicherlich nicht nur auf das Missverhältnis zwischen hoher Nachfrage und zu geringem Angebot zurückzuführen. Die durch die Coronapandemie verursachte Unterbrechung von internationalen Lieferketten sowie Werksschließungen haben zum Mangel und zur starken Verteuerung von Baumaterial geführt.
Wie schnell die beschlossenen Maßnahmen zu einer deutlichen Ankurbelung der Bauaktivität führen und wie nachhaltig sie wirken, ist schwer abzuschätzen. Der Wohnungsmarkt verhält sich wenig agil. Bis er sich in Bewegung setzt, dauert es. Immerhin bewegen sich die Genehmigungs- und Fertigstellungszahlen 2021 in die richtige Richtung.